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Happisch Haus – Tennengebirgsüberschreitung

Eine Tennengebirgsüberschreitung stellt für mich immer einen Wanderhöhepunkt dar. Denn anders als das Matterhorn oder der Mt. Everest, besticht das Tennengebirge nicht mit einem einzigen Höhepunkt – die Faszination liegt vielmehr in der Vielfalt.

Der Höhepunkt der Wandersaison

Im September wanderte das Naturfreunde-Jugend-Team mit Freund:innen zum Leopold-Happisch-Haus. Geplant als Genusstour wählen wir den kürzesten, aber imposantesten Aufstieg über die Eisriesenwelt. Durch die nahezu senkrechte Wand führt ein komfortabler, von Koniferen gesäumter Weg. Nach dem Höhleneingang ist das Gelände nicht mehr ganz so steil, dafür zerklüfteter und wilder. Es sind auch nicht mehr ganz so viele Touristen anzutreffen, dafür mehr Gämsen.

Als das Gelände nach der Hochkogelhütte flacher wird – ja, dieser Berg ist unten steil und oben flach – erscheinen riesige Karstflächen; ein gewaltiges Geröllfeld. Dolinen führen tief ins Erdinnere und regen die Phantasie an. Fünf Höhlen sind tiefer als 1000m, sieben sind länger als 10km. Wir fragen uns, wie hoch der Anteil an Hohlräumen wohl ist – befindet sich unter uns mehr Luft, oder doch mehr Gestein? Wohl schwer zu beantworten; auch weil ständig neue spektakuläre Höhlen entdeckt werden. Nach dem Punkt 2200 führt der Weg bergab in Richtung Pitschenbergalm und weiter zum Leopold-Happisch-Haus.

Nach dem Aufstieg über steilen Fels und den phantastischen Karstflächen erleben wir nun ein als Schafalm genutztes Hochtal mit Gebäuderuinen und einem kleinen See. Wie dieser das Wasser halten kann, ist uns ein Rätsel und so wird diese Frage bei guter Weinbegleitung ergründen versucht….

Am Happisch-Haus angekommen

Das Happisch-Haus ist eine ganz besondere Schutzhütte.
Sie ist die einzige am Tennengebirgsplateau, sie steht alleine da (neben dem Plumpsklo), rundherum sind Latschen, Steine und Schafe – sonst nix. Und doch ist bei guter Sicht die Landeshauptstadt zu erkennen – aus der Vogelperspektive. So lassen sich Sommerabende genießen!

Außerdem herrscht hier ein unbeschreibliches Gefühl von Souveränität, ein Gefühl von Selbst-ist-man-Wirt:in – fast so, als wäre man zuhause, und doch so weit weg.

Am nächsten Morgen öffnen wir das Fenster und werden von der schon etwas höher am Firmament stehenden Sonne begrüßt. Die meisten anderen Hüttengäste sind längst schon weg. Kurz darauf steht ein einsamer Wanderer vor uns (er ist wohl früher aufgewacht als wir) und will wissen, ob wir die Hüttenwirte respektive Hüttenwirtinnen sind. Wir verneinen und erklären, dies sei eine Selbstbewirtungshütte – doch er will lieber eine Hütte mit Bedienung und wandert weiter.

So verlassen wir als letzte Gäste die Hütte und irren durch die Latschen in Richtung Streitmandl. Schafe laufen uns aus allen Richtungen entgegen und schnorren um Futter.

Zeitosigkeit

Die zeitlose Landschaft wirkt archaisch und rau. Nur die Schafe verraten den menschlichen Einfluss, denn seit Jahrhunderten bewirtschafteten Menschen dieses Hochplateau und hinterließen ihre Spuren.

Es fühlt sich seltsam an, nichts zu sehen außer Stein, Gras, Schafen und dem Himmel – als wären wir die letzten Menschen. Als stünde auch die Zeit still. Wenig Ablenkung ermöglicht viel Aufmerksamkeit  – das ist wohl gemeint mit “by achieving stillness we can increase our mindfulness”. Es kommt mir spät vor, in dieser einsamen Weite. Vielleicht ist es das auch schon – und wir sind tatsächlich die letzten Menschen hier. Vielleicht sollten wir unser Zeitmanagement optimieren?

Schafe und Gämsen sind noch hier; doch für die läutet am nächsten Tag kein Wecker. Hätten wir etwas weniger lang schlafen sollen? Dauerte das Brunch zu lang? Haben wir zu lange getrödelt?

Egal, es ist Sonntag und noch lange nicht Abend. Also lagern wir erstmal bei der Schäferhütte. Das Frühstück ist schon eine Weile her, die Schafe haben uns die Jause nicht weggefressen, also essen wir die letzten Vorräte selbst! Mit weniger Gewicht im Rucksack, dafür mehr im Bauch geht es gleich viel langsamer voran/bergauf. Doch schlussendlich erreichen wir die Edelweisser Hütte. Zu unserem Glück ist noch jemand von den Edelweissern zugegen und schenkt uns etwas Wasser. So sind wir also doch nicht die letzten Wanderer an diesem Sonntag – geil! Wir investieren die Zeit sogleich in eine ausgiebige Jausenpause – und sind danach doch wieder die Letzten.

Check out

Ich will aufbrechen, Neues entdecken; in die Ferne schweifen! Heimgehen dagegen ist oft weniger lustig.  Anders verhält es sich am Tennengebirge.
Der Abstieg über die Grießscharte eröffnet den Blick in die Tiefe. Das Salzachtal wird sichtbar. Ein Hauch von Zivilisation. Aber noch in weiter Entfernung.

Welch Kontrast zu der Welt, in welche wir während der vergangenen beiden Tage eingetaucht sind! Konzentriert richten wir den Blick wieder auf den Weg vor uns. Abwechslungsreich führt er an skurrilen Karstformationen steil nach unten und bald erreichen wir ein riesiges Geröllfeld zwischen mehrere Hundert Meter hohen, senkrechten Felswänden. Allein die Dimension ist überwältigend und lässt jedes katarische Fussballstadion mickrig erscheinen. Aber auch die Ästhetik der so nur im Kalkgestein möglichen Felsformationen lässt den Abstieg zu einem besonderen Erlebnis werden.

Nach einem weiteren Erlebnis, als jemand im Latschenwald eine Abkürzung zu kennen glaubte…, erreichten wir bald eine Forststraße und waren nun endgültig wieder in gewohnter, von Zivilisation geprägter Umgebung.

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